VDRJ-Jahrestagung 2024: Geheimtipps, Einheimische und das Christkind

Die Teilnehmer der VDRJ-Jahrestagung im Hof von Schloss Johannisburg in Aschaffenburg (Bild: Holger Leue)
Die Teilnehmer der VDRJ-Jahrestagung im Hof von Schloss Johannisburg in Aschaffenburg (Bild: Holger Leue)

Die Jahrestagung der VDRJ war diesmal in Aschaffenburg zu Gast. Neben dem touristischen Programm wurden viele spannende Fragen zur Zukunft unseres Berufs aufgeworfen. Und sogar Antworten gegeben.

„Liegt Aschaffenburg eigentlich in Hessen oder Bayern?“, „Ist das Wein- oder Bier-Land?“ und „wie nennen wir Einheimische in Zukunft“ – drei der meistgestellten Fragen auf der VDRJ-Jahrestagung 2024 im fränkischen Aschaffenburg.

Das Pompejanum war eins der Highlights in der Ausflugsgruppe 1.
Das Pompejanum war eins der Highlights in der Ausflugsgruppe 1.

Die erste Frage mit dem Bundesland war für viele relativ schnell beantwortet. Wer mit dem Auto kam, konnte das bayrische Wappen bei der Anfahrt sehen. Aber ganz unberechtigt ist die Frage nicht. Zum einen gehört Aschaffenburg tatsächlich erst etwas mehr als 200 Jahre zum Königreich Bayern, zum anderen ist die 72.000-Einwohner-Stadt wirtschaftlich eher mit dem (hessischen) Großraum Frankfurt verbunden. Für Aufklärung sorgte spätestens am Samstagabend Aschaffenburgs Oberbürgermeister Jürgen Herzing, der das Autokennzeichen von seiner Stadt so übersetzte: „AB steht für Anfang von Bayern“.

Stammgast Oberbürgermeister

Der erste Mann schien sich sichtlich wohl bei der VDRJ zu fühlen. Gleich dreimal ließ er sich bei unserer Tagung sehen. Am ersten Tag begrüßte der gelernte Kaminkehrer (dieser Begriff hätte uns spätestens gezeigt, dass wir in Bayern sind) und Feuerwehrmann uns nach der Mittagspause. Am zweiten Tag besuchte Herzing mit der dritten Ausflugsgruppe die Cranach-Ausstellung, die er selbst zwar eröffnet, aber nie in Ruhe besichtigt hatte und am Samstagabend gesellte er sich zu uns in den Schlosspark Schönbusch.

Oberbürgermeister Jürgen Herzing besuchte mehrfach unsere Tagung.
Oberbürgermeister Jürgen Herzing besuchte mehrfach unsere Tagung.

Herzing durfte beim ersten Besuch dem vielleicht diskussionswürdigsten Programmpunkt der Tagung beiwohnen. Dem Impulsvortrag von Alien Spiller von Brot für die Welt. Bei ihr ging es um die Darstellung von Ländern des globalen Südens im Reisejournalismus und in der Reise-PR. Zeigen wir ein zu geschöntes Bild dieser Länder? Muss es immer das Bild der indigenen Frau in Kostüm mit Lama sein, wenn wir über Peru berichten?

Wir sollen mehr Realität zeigen, sagt die Referentin von "Brot für die Welt". Das verfallene und leerstehende Haus vom Drogenfuchs ist Aschaffenburger Realität.
Wir sollen mehr Realität zeigen, sagt die Referentin von „Brot für die Welt“. Das verfallene und leerstehende Haus vom Drogenfuchs ist Aschaffenburger Realität.

Kurzum: Vermitteln wir zu viel Klischees statt der Realität? In jedem Fall löste sie damit eine spannende und leidenschaftliche Diskussion aus.

Darf man Einheimische „Einheimische“ nennen?

Spiller warf zudem eine Frage auf, die viele von uns beim Essen abends noch beschäftigte: Sollten wir Einheimische wirklich so nennen? Oder stigmatisiert der Begriff? Ihr Gegenvorschlag: Locals. Die meisten Mitglieder empfanden den Vortrag durchaus als anregend, auch wenn sie sich nicht in allen Punkten Spillers Position anschlossen. Insbesondere bei der Diskussion um den Begriff „Einheimische“, den die meisten unproblematisch fanden.

Geschäftsmodelle der Zukunft

Mindestens genauso spannend: Die anschließende Präsentation von vier Geschäftsmodellen teilweise abseits der bekannten Pfade. Henry Barchet erläuterte uns seine Podcasts und die CI-Podcasts, die er für Kunden produziert. Pascal Brückmann erklärte das Newsletter-Businessmodell von „Reise vor 9“, Anushka Dinter-Matthei berichtete von ihren Vorträgen, die sie u.a. auf der „Hanseatic“ hält (und zeigte einen sehr schnuckeligen Polarfuchs) und Sven Meyer berichtete von seiner PR-Agentur, die zwar lieber mit Journalisten arbeitet, auf Influencer aber nicht verzichten kann.

Kommen wir zur dritten Frage: „Ist Aschaffenburg Wein- oder Bier-Land?“ Aufklärung gab es vom Aschaffenburg Tourismus am Freitagabend bei Essen im Restaurant „Jedermann“ am Theater, das wir vorher kurz besichtigen durften. Die Antwort: Aschaffenburg ist Wein-Land mit eigenen Weinbergen, Bier-Land mit kleinen Hausbrauereien und wegen der Nähe zu Hessen sogar noch Äppelwoi-Land. Prost.

Eine Brizza, bitte

Damit wären die drei oben genannten Fragen beantwortet. Damit ihr weiterlest, gibt es aber gleich noch ein paar weitere. Der Samstag war wie immer durch das Ausflugsprogramm geprägt. Gruppe 1 besichtigte Schloss, Pompejanum und entdeckte die Aschaffenburger Spezialität „Brizza“. Eine Brezel-Pizza.

Eine Aschaffenburger Spezialität: Die Brizza. Eine Laugenbrezel-Pizza.
Eine Aschaffenburger Spezialität: Die Brizza. Eine Laugenbrezel-Pizza.

Gruppe 2 lief sich die Füße platt. Über 20 Kilometer hatten einige gegen 17 Uhr auf ihrer Smartwatch. Und Gruppe 3 machte mit dem Oberbürgermeister in Kultur und besuchte unter anderem die Cranach-Ausstellung im Schloss und das Kirchner-Haus.

Besuch vom Christkind

Womit wir beim Samstagabend im Park Schönbusch (wieder mit unserm neuen Maskottchen Jürgen Herzing) wären. Zentrale Frage: „Ist denn schon Weihnachten?“. Wir durften nämlich an einem 28. September „Ihr Kinderlein kommet“ singen. Initiiert vom Franken-Tourismus, der für diesen Abend verantwortlich war. Die linke Seite des Saals kam dem Singen ordentlich nach, schließlich hielt Martin Wein seine Handy-Kamera drauf (das Video findet ihr in unserer Facebook-Gruppe). Die andere Seite war etwas stumm. Aber sei es drum. Es gab einen Grund für die vorgezogene Weihnachtsfeier inklusive Geschenke für die Mitglieder (u.a. Lebkuchen). Das Christkind erwies uns die Ehre. Das Christkind vom Christkindlesmarkt in Nürnberg.

Chance für Städte der zweiten Reihe

Am Sonntagmorgen schließlich gab es eine spannende Diskussion über Tourismus in Städten der zweiten Reihe. Angelika Schäfer vom Tourismusverband Franken schilderte, dass vom Besuch der großen Städte wie Nürnberg auch das Umland profitiere. Auf diese Kombi-Vermarktung setzt auch Peter Eschweiler von Gebeco: „Wenn wir nach Griechenland schauen, ist Athen der First Player, der alles überstrahlt. Wenn man Thessaloniki vermarktet, muss man es mit dem Olymp kombinieren.“

Geheimtipp statt zweiter Reihe

Unser Mitglied Andreas Steidel berichtete über seine Heimatstadt Calw, das sich als Geburtstort von Hermann Hesse positioniert und eine alte Klosterruine hat. Schließlich regte unser neues VDRJ-Mitglied Barbara Buchholz, die die belgische Region Wallonien in Deutschland vermarktet an, doch lieber von „Geheimtipp“ als von zweiter Reihe oder ähnlichem zu sprechen.

Manchmal sind es aber eben auch die Nebenaspekte, die man als Mitglied als Anregung mit nach Hause nimmt. Zum Beispiel Eike Knalls Moderation. Auf der Bühne waren nur die vier Diskutanten. Eike stand im Zuschauerraum und stellte von dort seine Frage. Als Teil des Publikums. Eine interessante Anregung für viele von uns, die auch Veranstaltungen moderieren.

Offene Fragen

Nach 2,5 Tagen waren fast alle Fragen beantwortet. Naja. Bis auf diese: „Warum fließt im Schlossgraben kein Wasser, aber grasen dort gelegentlich Rehe?“, „War Maler Kirchner ein Freund des Glücksspiels oder warum ist direkt am Kirchner-Haus eine Spielhalle?“ und „Eröffnet beim etwas verfallenen Drogenfuchs demnächst ein Cannabis-Club?“

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